Gemeinden fordern Curtys Rückzug

Weil ein Interessenkonflikt im Windkraftdossier aus ihrer Sicht erwiesen ist, verlangen neun Freiburger Gemeinden Konsequenzen auf kantonaler Ebene. Der Kanton weist die Vorwürfe zurück. Kommende Woche wird sich das Parlament mit diesem Thema befassen.

Ein Beitrag von Jean-Michel Wirtz, Freiburger Nachrichten, 13.12.2024

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Freiburg Das Kapitel Windkraft im kantonalen Richtplan basiere nicht auf objektiven und sachlichen Entscheidungen des Kantons. Es trage stattdessen die Handschrift von Unternehmen und deren wirtschaftlichen Interessen. Mit diesem Vorwurf traten am Donnerstag Gemeinderäte von La Sonnaz, Belfaux, Vuisternens-devant-Romont, La Verrerie, Sorens, Billens-Hennens, Grangettes, Siviriez und Sâles vor die Medien. Für sie sprach ihr Anwalt David Ecoftey. «Es ist ein Skandal», sagte er und bezog sich damit auf den kürzlich veröffentlichten Bericht des Instituts für öffentliche Verwaltung der Uni Lausanne (wir berichteten). Dessen Inhalt sei vernichtend für den Staatsrat. Der Kanton beauftragte das Windkraft-Planungsbüro Ennova, ihn bei der Ausarbeitung des Richtplan kapitels Windenergie zu unterstützen. Das Institut sollte klären, ob der Kanton dabei den gesetzlichen Rahmen eingehalten hat. Die Verfasserinnen des Berichts stellten fest, dass eine Interessenverflechtung absehbar gewesen sei. «Im vorliegenden Fall stand Ennova tatsächlich auf beiden Seiten: auf der Seite der Wirtschaftsorganisationen für die Entwicklung von Windenergieanlagen, und auf der Seite der externen Auftragnehmer, welche die zuständigen Verwaltungsstellen beraten.» Vor der Vergabe seines Auftrags, so steht es kritisch im Bericht, habe der Kanton nicht abgewogen, ob es tatsächlich angezeigt sei, die Dienste des Unternehmens in Anspruch zu nehmen. Und da endet die Kritik noch nicht: «Wenn die Verwaltung nicht ohne die Expertise eines Entwicklers und seines Planungsbüros arbeiten konnte, hätte sie organisatorische Massnahmen ergreifen können, um sicherzustellen, dass sie die effektive Leitung der Arbeitsgruppe innehatte.» Denn Ennova sei in der Lage gewesen, das Dossier Windkraft zu beeinflussen, geht aus dem Bericht hervor. So habe die kantonale Arbeitsgruppe zwar die Berichte verschiedener Auftragnehmer validiert, «aber es bleibt dabei, dass es in erster Linie Ennova war, die als Verfasserin der Syntheseberichte die eigentliche Steuerung der Studien innehatte.»

Parlament wird Bericht
bald diskutieren

Dieser kritische Bericht wird kommende Woche Thema sein im Kantonsparlament. Denn er war angestossen worden durch ein Postulat der Grossrätinnen Christel Berset (SP, Freiburg) und Antoinette de Weck (FDP, Freiburg) sowie 28 Mitunterzeichnenden. Im Hinblick auf die Parlamentsdebatte hatte der Staatsrat kürzlich seine Analyse zum Bericht aus Lausanne vorgelegt. Darin räumte er ein, «dass die Wahl von Ennova hinsichtlich eines allfälligen Interessen konflikts heikel» war. Und er sagte auch: «Es müssen staatsinterne Verfahren zur Kontrolle der Integrität und Unabhängigkeit von externen Auftragnehmern aufgestellt werden.» Denn zur Prüfung von Interessenkonflikten bei externen Aufträgen gebe es bisher keine gesetzlichen Bestimmungen. Die Vergabe des Auftrags warf demnach zu Recht Fragen auf. Und dennoch bilanzierte der Staatsrat, dass «die Studie keinen nachweislichen und klar bestimmten Interessenkonflikt bei der Vergabe des Auftrags an Ennova festgestellt hat».

«Das Institut kommt
in seinem Bericht
klar zum Schluss,
dass bei Ennova ein
Interessenkonflikt
besteht.»

David Ecoffey, Anwalt

Dem widersprach David Ecoffey, Anwalt der neun Gemeinden, an der Medienkonferenz vehement: «Das Institut kommt in seinem Bericht klar zum Schluss, dass bei Ennova ein Interessenkonflikt besteht.
Ein Konflikt, der den staatlichen Stellen bekannt war.» Serge Boschung, Vorsteher des Amts für Energie, habe ab der ersten Sitzung der kantonalen Arbeitsgruppe 2015 gewünscht, dass Groupe E Greenwatt darin Einsitz bekommt. Doch die übrigen Kantonsvertreter in der Arbeitsgruppe hätten dies abgelehnt.

Um seine Ausführungen zu untermauern, wies Ecoffey jeweils auf die entsprechenden Abschnitte im Bericht des Instituts für öffentliche Verwaltung hin. Darin findet sich beispielsweise eine E-Mail einer Kantonsangestellten. Diese teilt dem Amt für Energie mit, dass ihre Abteilung es ablehnt, zu einem solch frühen Zeitpunkt Groupe E Greenwatt in die Arbeitsgruppe einzubinden. «Sie betont, dass die verwaltungsinterne Arbeit unbedingt unabhängig von jeglichem kommerziellen oder wirtschaftlichen Druck seitens dieses Energieversorgers bleiben sollte», fasst der Bericht des Instituts die E-Mail zusammen. Weil Groupe E Greenwatt darum in der Arbeitsgruppe unerwünscht gewesen sei, habe Boschung stattdessen Ennova ausgewählt, sagte Anwalt Ecoffey. Ennova sei ein direktes Partnerunternehmen von Groupe E Greenwatt.
Beide hätten sich damals dieselbe Büroadresse geteilt. Und ebenfalls würden beide Windkraftprojekte entwickeln und könnten dabei eine eigene wirtschaftliche Agenda verfolgen.

Arbeitsgruppe war gegen Groupe E Greenwatt Konfrontiert mit den Vorwürfen der Gemeinden, weist Pierre Vaudan, Mediensprecher der Volkswirtschafts- und Berufsbildungsdirektion, diese deutlich zurück. «Die Direktion stellt fest, dass wieder einmal abgehobene Theorien und unbegründete Behauptungen öffentlich als feststehende Tatsachen dargestellt werden.» Die Medienkonferenz sei Teil einer Anti-Windkraft-Kampagne.

Zum konkreten Vorwurf gegen Serge Boschung teilt er mit: «Die Behauptung, dass das Amt für Energie Groupe E Greenwatt der Arbeitsgruppe hätte aufzwingen wollen, ist falsch.» In der Tat sei dieses Unternehmen 2015 an den Staat herangetreten mit dem Vorschlag, in die Arbeitsgruppe aufgenommen zu werden. «Es bot an, sein langjähriges Fachwissen einzubringen», schreibt der Mediensprecher. Das Amt für Energie habe diese Anfrage der Arbeitsgruppe unterbreiten müssen. «Nach einigen Diskussionen verzichtete die Arbeitsgruppe schliesslich, Groupe E Greenwatt aufzunehmen, um ihre volle Unabhängigkeit zu erhalten.»
Zudem sei Groupe E Greenwatt nicht das einzige Unternehmen gewesen, das als Experte in
Frage gekommen wäre. «Die Arbeitsgruppe hatte ebenfalls erwogen, die Arbeiten mit New Energy Scout fortzusetzen. Dieses Büro hatte die Studien von 2012 bis 2014 für den Kanton durchgeführt», so Vaudan. Jedoch habe dieses Unternehmen auf ein erneutes Mandat verzichtet.

Ennova als verlängerter Arm der Groupe E?
Auch, dass Ennova dann gewissermassen als verlängerter Arm von Groupe E Greenwatt in der Arbeitsgruppe platziert worden sei, weist der Mediensprecher als unzutreffend zurück. «Als das Mandat an Ennova vergeben wurde, bestand unseres Wissens keine Partnerschaft zwischen Ennova und Groupe E Greenwatt im Zusammenhang mit Projekten im Kanton Freiburg.» Die Arbeitsgruppe habe sich vergewissert, dass Ennova im Kanton nicht mehr aktiv gewesen sei, mit Ausnahme einer Windmessung in der Gemeinde Châtelard, die sich in der Abschlussphase befunden habe. Das Unternehmen Ennova seinerseits betont auf Anfrage, dass es zum damaligen Zeitpunkt nur an einem Freiburger Windkraftprojekt beteiligt gewesen sei. Nämlich jenes in Châtelard, das bereits damals öffentlichbekannt gewesen sei. «Im Mai 2013 stimmten die Bürger von Le Châtelard mit 31 Stimmen, einer Nein-Stimme und einer Enthaltung für die Kooperationsvereinbarung zwischen der Gemeinde und Ennova. Zwischen Mai 2013 und Juni 2016 wurde ein Messmast aufgestellt. Anschliessend führte Ennova keine Arbeiten an diesem Standort durch», teilt Mediensprecher Christian Bernet mit. Liste mit 21 Standorten für Windenergie Weiter warf der Anwalt der neun Gemeinden dem Kanton vor, dass in der Arbeitsgruppe nie zur Debatte gestanden habe, Standorte im Richtplan für Windparks ergebnisoffen zu prüfen. Ennova sei beauftragt worden, Prioritäten festzulegen in einer plötzlich auftauchenden Liste mit 21 Standorten. Ecoffey deutete damit an, dass das Unternehmen in seiner beratenden Funktion Standorte empfohlen hatte, auf denen es eigene Projekte realisieren wolle «Wir widersprechen dieser Behauptung», entgegnet der Ennova-Mediensprecher. Sein Unternehmen habe die Planungsarbeiten ergänzt, die bereits in der Vergangenheit von New Energy Scout durchgeführt worden waren. Die Liste der 21 Standorte sei auch nicht geheim, wie es der Anwalt behauptet hatte, sondern befinde sich in einem Bericht, der dem Bund vorgelegt worden sei. Vaudan von der Volkswirtschaftsdirektion bestätigt die Angaben: New Energy Scout habe von 2012 bis 2014 eine Standortanalyse, eine sogenannte Negativplanung, für den ganzen Kanton durchgeführt. «Die erste Auf gabe von Ennova nach der Vergabe des Mandats im Jahr 2016 war, die Arbeiten von New Energy Scout zu übernehmen, zu überprüfen, ob seit deren Abschluss keine Änderungen vorgenommen werden mussten, und die Arbeiten an der Windkraftplanung fortzusetzen.» Auch die Aussage, dass in der Arbeitsgruppe in Wahrheit Ennova die Arbeiten geleitet habe, sei falsch. «Ennova arbeitete unter der vollen Kontrolle der Arbeitsgruppe», so Vaudan. Das Unternehmen selbst äussert sich zu diesem Vorwurf auf Anfrage nicht. Ebenfalls bemängelten die neun Gemeinden, dass das Institut von Lausanne bei seiner Untersuchung eingeschränkt wurde. «Es war keine Administrativuntersuchung. Darum konnten sie keine Dokumente einfordern», kritisierte Ecoffey. Das Amt für Energie habe dem Institut nur Dokumente, die möglichst zu seinen Gunsten waren, vorgelegt. Erneut widerspricht Vaudan: «Das Amt für Energie lieferte alle Ordner zur Windkraftplanung über die es verfügte. Und es lud das Institut ein, sich erneut an ihn und die anderen Akteure zu wenden, um alle weiteren, insbesondere elektronischen, Dokumente zu erhalten, die es benötigen könnte.» Zurück auf Start im Dossier Windkraft Schliesslich formulierten der Anwalt und die Gemeinderäte am Ende ihrer Medienkonferenz drei Forderungen an die kantonale Politik: Erstens, das Windkraftdossier müsse dem Volkswirtschaftsdirektor Olivier Curty und dem Vorsteher des Amts für Energie, Serge Boschung, entzogen werden. Zweitens, es müsse eine Administrativuntersuchung oder eine parlamentarische Untersuchungskommission geben. Und drittens, das Windkraftkapitel im Richtplan müsse für ungültig erklärt und bei Null neu begonnen werden.